Nora Stroetzel, Praxis ohne Plastik
In einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, sticht eine Visionärin besonders heraus: Nora Stroetzel. Mit einer Mischung aus technischem Sachverstand, einem Hintergrund in nachhaltigen Technologien und einer unerschütterlichen Passion für Umweltschutz hat sie "Praxis ohne Plastik" ins Leben gerufen. Ihr Ziel? Das Gesundheitswesen revolutionieren, indem sie Ärzt:innen und medizinischem Personal zeigt, wie man nachhaltiger agieren kann.
Heute sprechen wir mit der dynamischen Gründerin über ihre Mission, ihre Erfahrungen und wie sie es geschafft hat, den ersten nachhaltigen Shop für Arztpraxen zu etablieren. Willkommen, Nora!
Ich fand es ziemlich erschreckend zu sehen wie selbstverständlich wir Plastik überall verwenden. Eins der guten Eigenschaften von Plastik ist ja, dass es solange hält, warum nutzen wir es dann aber für Einmalprodukte, die oft nur wenige Sekunden genutzt werden? Im Gesundheitswesen ist das allgegenwärtig, das hat in mir den Wunsch ausgelöst, daran etwas zu ändern, so habe ich Praxis ohne Plastik gegründet.
Ihr Hintergrund als Ingenieurin ist sicherlich einzigartig in der Nachhaltigkeitsbranche. Wie hat diese technische Ausbildung Ihre Herangehensweise an die Problematik und Lösungen beeinflusst?Ich gehe sehr lösungsorientiert an Probleme heran. Ich kenne Design Thinking, Change und Agiles Management aus meiner Zeit als Ingenieurin, vieles davon lässt sich sehr gut übertragen, um nach neuen Lösungen zu suchen. Vor allem habe ich damals gelernt wie wichtig es ist Leute für ein Thema zu begeistern, wenn man Veränderungen für Innovationen schaffen möchte, das ist beim Thema Nachhaltigkeit unentbehrlich.
Welchen Ratschlag würden Sie jemandem geben, der in der Gesundheitsbranche arbeitet und den Übergang zu weniger Plastikverbrauch machen möchte, aber nicht weiß, wo er anfangen soll?Man sollte sich erstmal kleine Ziele stecken und sich fragen, wo man vielleicht auf Kleinigkeiten verzichten kann. Es ist wichtig sich nicht abschrecken zu lassen, weil man direkt im sterilen Bereich nach plastikfreien Lösungen im OP gesucht hat.
„Wiederverwendbarkeit vor Wegwerfprodukte“ ist einer Ihrer zentralen Werte. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei in der Gesundheitsbranche und wie können sie überwunden werden?Oft wird das Thema des Energieverbrauchs von Aufbereitungsanlagen angebracht, um für Einwegprodukte zu argumentieren. Dem stehen ein hoher Ressourcenverbrauch, sowie Transport- und Entsorgungskosten entgegen. Den Energieverbrauch können wir mit effizienten Geräten und erneuerbaren Energien sauberer machen, die Ressourcen hingegen sind endlich. Kunststoffe auf fossiler Basis dementsprechend auch. Wir brauchen alternative Materialien und die Energiewende um nachhaltiger werden zu können.
Wenn man hinter die Strukturen schaut, sieht man dass die Kosten vieler Einwegmaterialien sogar von den Krankenversicherungen getragen werden, Aufbereitungen aber nicht. Hier müssen andere Anreize geschaffen werden, die eine nachhaltigere Arbeitsweise belohnen.
Für die Aufbereitung braucht es Personal, an dem es der Gesundheitsbranche mangelt.
Ich könnte mir vorstellen, dass zukünftig im Sinne des European Green Deals die Geschäftsmodelle ohnehin weg vom Verkauf des Produkts hin zu Nutzungsmodellen gehen, in denen die Aufbereitung bereits enthalten sein kann.
Welche Auswirkungen haben, Ihrer Meinung nach, klimatische Veränderungen auf die Gesundheit und wie spiegelt sich das in der Mission von "Praxis ohne Plastik" wider?Der Klimawandel ist die größte Bedrohung der menschlichen Gesundheit des 21. Jahrhunderts. Arztpraxen werden zukünftig vermehrt mit neuen Krankheitsbildern konfrontiert. Dazu gehören z.B. Borreliose oder Malaria, die Tigermücke und Zeckenarten, verbreiten sich durch die Erwärmung schon jetzt immer weiter Richtung Norden. Viele Medikamente machen Patienten hitzesensibler und Hitze macht zudem anfälliger für Herzinfarkte. Dazu kommt die Behandlung von Verletzungen und Schocks durch Extremwettersituationen, wie Hochwasser.
Neben dem Klimawandel wird auch Mikroplastik vermehrt zum Problem. Es wurden mittlerweile Mikro- und auch Nanoplastik- Partikel in der Lunge, im Blut und auch in ungeborenen Embryos gefunden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Nanopartikel sogar die Blut-Hirnschranke überwinden können. Die Auswirkungen sind noch unbekannt. Klar ist, dass Zusätze wie Weichmacher, Flammschutzmittel, etc. zu Gesundheitsschäden führen können.
Wir sind deshalb der Meinung, dass wir die Gesundheit des Menschen nur erhalten können, wenn wir auch seine Lebensumwelt erhalten.
Wie gewährleisten Sie bei "Praxis ohne Plastik" Transparenz in Bezug auf die ökologische Bewertung der Produkte?Wir bewerten anhand einer einsehbaren Liste an Kriterien. Neben dem Produkt sieht man immer welche Kriterien, das Produkt erfüllt. Wir lassen uns Aussagen der Hersteller durch Zertifikate und Nachweise bestätigen. Wir arbeiten zudem daran, die Bewertung auch in Gänze sichtbar und Produkte damit untereinander vergleichbar zu machen.
Welche inspirierende Erfahrung oder Begegnung während Ihrer Reisen hat den größten Einfluss auf die Gründung von "Praxis ohne Plastik" gehabt?Zunächst hat mich die Begegnung mit Plastik überall einfach wütend gemacht. Auch Wut kann ein starker Motivator sein. Ich habe aber auch viele Menschen getroffen, die sich auf verschiedene Weise damit beschäftigt haben die Plastikverschmutzung zu bekämpfen. Besonders inspiriert haben mich dabei die Meeresforscher*innen und Gründer*innen der No Trash Triangle Initiative, die auf einer entlegenen Insel in Indonesien eine Müllsammelstation aufgebaut haben, den Transport zum Festland auf eigene Kosten organisieren und die Gründung einer Recyclinganlage auf dem Festland unterstützt haben. Oft zielen solche Projekte auf die Entsorgung ab, ich möchte aber da ansetzen, wo das Problem entsteht.
»Besonders inspiriert haben mich dabei die Meeresforscher*innen und Gründer*innen der No Trash Triangle Initiative«Wie reagieren Praxismitarbeiter und andere Fachleute aus der Gesundheitsbranche, wenn Sie ihnen nachhaltige Alternativen vorstellen? Gibt es Widerstand oder sind viele offen für Veränderungen?Viele kennen es noch anders aus ihren Berufsanfängen. Häufig schütteln gerade erfahrenere Ärztinnen und Ärzte den Kopf darüber, wie sehr der Einmalproduktverbrauch in den letzten 20 Jahren gestiegen ist. Interessant ist dabei, dass das immer mit Hygienerichtlinien begründet wird, es im selben Zeitraum aber keine signifikanten positiven Veränderungen im Infektionsschutz gibt.
Wie unterstützen Sie Ihre Kunden dabei, nachhaltige Produkte im täglichen Gebrauch in ihren Praxen zu integrieren?Die besten Alternativen sind die, die genauso zu verwenden sind wie die herkömmlichen Produkte. Das sind Produkte, bei denen in der Materialzusammensetzung oder im Herstellungsprozess die Nachhaltigkeit des Produkts verbessert wurde.
Als ich die Idee zu Praxis ohne Plastik hatte, waren diese Produkte leider völlig unbekannt. Mit unserem Shop machen wir diese Produkte sichtbar und geben den Praxismitarbeitenden die Wahlmöglichkeit zurück sich auch für ein nachhaltigeres Produkt zu entscheiden.
Sie sprechen davon, Prozesse aktiv mitzugestalten. Können Sie ein Beispiel für eine solche Prozessverbesserung nennen, die Sie in einer medizinischen Einrichtung umgesetzt haben?Wir bringen Gespräche ins Rollen. Wir haben z.B. einer Praxis in der Neugründung dazu geraten beim Mobiliar im Fundus der Klinik zu schauen, was übernommen werden kann, das war in der Uniklinik so nicht üblich, wurde aber dankend angenommen, da hier durch Nachhaltigkeit auch Kosten gespart werden konnten.
Was war die größte Herausforderung, die Sie bei der Gründung und dem Betrieb von "Praxis ohne Plastik" überwinden mussten?Die Gründung lag in der Anfangszeit von Corona. Mir wurde immer wieder gesagt, dass das Gesundheitswesen dringlichere Probleme hat. Natürlich war das auch eine Zeit von viel Unsicherheit und Angst. Gleichzeitig hat gerade Corona uns besonders viel Plastikmüll beschert, der für alle sichtbar war, die Müllberge sind so explodiert, dass wir jetzt mit dem Thema genau am Zahn der Zeit sind.
Welche Vision haben Sie für "Praxis ohne Plastik" in den nächsten 5 Jahren?Es gibt noch viel zu wenig nachhaltige Produkte. Wir unterstützen mittlerweile auch Unternehmen dabei, wie sie von Anfang an nachhaltigere Medizinprodukte herstellen können. Wir möchten für mindestens 50% der Produkte nachhaltigere Alternativen finden. Und nicht nur Arztpraxen, sondern auch Krankenhäusern, Pflegeheimen und Laboren helfen nachhaltiger zu werden.
»Es gibt noch viel zu wenig nachhaltige Produkte.«Welche Bedeutung hat das Team von "Praxis ohne Plastik" für den Erfolg des Unternehmens und wie tragen deren individuelle Kompetenzen zum Gesamterfolg bei?Unser Team besteht aus ganz tollen Menschen, die sich für das Thema begeistern. Wir haben Fachwissen aus der Psychologie, aus dem Nachhaltigkeitsmanagement, aus dem wirtschaftlichen Bereich und auch Expertinnen, die bereits in Arzt- und Zahnarztpraxen gearbeitet haben. Jede einzelne hilft uns dabei unserer Vision ein Stück näher zu kommen und jeden Tag noch ein bisschen besser zu werden.
Was war das überraschendste Feedback oder die ermutigendste Rückmeldung, die Sie von einer Praxis oder einem medizinischen Fachmann erhalten haben?Ich glaube es war nicht eine besondere Rückmeldung, sondern die Vielzahl an Rückmeldungen, die uns darin bestärken immer weiter zu machen.
Schließlich, welchen Rat würden Sie jemandem geben, der von einer Idee oder einer Mission erfüllt ist, aber zögert, den ersten Schritt zu machen?Einfach machen! Wenn deine Idee die Welt nicht nur für Dich ein bisschen besser macht, sondern auch für andere, dann ist sie es wert in die Tat umgesetzt zu werden.